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Lektion 7.Das Problem des Bösen
Warum Gott Freiheit zulässt und wie Er das Böse endgültig besiegt
Das Problem des Bösen ist eine der größten Herausforderungen für unseren Glauben. Wenn Gott gut und allmächtig ist, warum gibt es dann Leid, Ungerechtigkeit und Schmerz in der Welt? Diese Frage hat Gläubige und Denker seit Jahrhunderten beschäftigt und bleibt bis heute aktuell.
In dieser Lektion betrachten wir, wie die Bibel das Problem des Bösen erklärt und warum Gottes Liebe und Gerechtigkeit trotz all der schmerzhaften Realität Bestand haben.
📖 Die zentralen Themen dieser Lektion sind:
✔ Leid und Ungerechtigkeit in der Welt – Warum greift Gott nicht sofort ein?
✔ Freier Wille und Verantwortung – Warum erlaubt Gott Wahlmöglichkeiten, die auch zum Bösen führen können?
✔ Gottes Plan zur Überwindung des Bösen – Was sagt die Bibel über die endgültige Gerechtigkeit?
💡 Diese Lektion soll uns helfen, unser Vertrauen in Gott zu stärken – auch wenn wir nicht alle Antworten haben. Denn eines ist sicher: Gott ist gerecht, und das Böse wird nicht für immer bestehen.
7.1 „Herr, wie lange noch?“
Die Frage nach dem Leid und Gottes Plan der Erlösung
Lies Hiob 30,26; Jeremia 12,1; 13,22; Maleachi 2,17 und Psalm 10,1. Wie wird in diesen Texten das Problem des Bösen in den Vordergrund des menschlichen Erlebens gerückt?
Die Frage nach dem Bösen in der Welt und Gottes scheinbarer Abwesenheit ist eine der zentralen Herausforderungen des Glaubens. In Hiob 30,26, Jeremia 12,1, Jeremia 13,22, Maleachi 2,17 und Psalm 10,1 begegnen wir Menschen, die angesichts von Ungerechtigkeit und Leid ringen. Sie sehen, dass das Böse oft zu triumphieren scheint, während die Gerechten leiden. Ihre Klagen und Fragen an Gott spiegeln eine tiefe Sehnsucht nach Gerechtigkeit wider – eine Sehnsucht, die auch heute noch aktuell ist.
Diese Texte zeigen, dass die Erfahrung von Leid und Ungerechtigkeit kein neues Phänomen ist. Bereits die Propheten und Psalmisten rangen mit denselben Fragen:
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Warum scheint Gott nicht einzugreifen?
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Warum dürfen die Bösen prosperieren?
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Warum fühlt sich Gott manchmal fern an?
Die Bibel liefert keine einfachen Antworten auf diese Fragen, aber sie verschweigt sie auch nicht. Stattdessen lädt sie uns ein, unsere Klagen und Zweifel vor Gott zu bringen. Sie zeigt uns, dass wir nicht die Ersten sind, die sich nach Gottes Eingreifen sehnen. Der Ruf „Herr, wie lange noch?“ zieht sich durch die gesamte Heilige Schrift – von Hiob bis zur Offenbarung.
Das Böse ernst nehmen
Ein wichtiger Aspekt beim Umgang mit dem Problem des Bösen ist, dass wir es nicht verharmlosen. Manche versuchen, das Leiden der Gerechten als „Prüfung“ oder „Teil eines größeren Plans“ zu erklären. Doch das löst die Spannung nicht. Das Böse ist real, es verletzt, es zerstört – und Gott selbst hasst es. Die Bibel zeigt uns jedoch, dass Gott nicht gleichgültig bleibt. Er hört die Klagen seines Volkes, und er verspricht, letztendlich Gerechtigkeit zu bringen.
Eine Perspektive der Hoffnung
Auch wenn das Böse und die Ungerechtigkeit vorübergehend zu herrschen scheinen, ist die biblische Botschaft klar: Gott wird das letzte Wort haben. Er wird das Böse richten und die Leidenden trösten. In Jesus Christus hat er bereits gezeigt, dass er das Böse nicht nur sieht, sondern selbst mit uns das Leid trägt. Das Kreuz erinnert uns daran, dass Gott nicht fern ist, sondern mitten in unserem Leiden gegenwärtig.
Die Frage „Herr, wie lange noch?“ bleibt aktuell. Doch die Bibel gibt uns auch die Hoffnung, dass Gott nicht nur hört, sondern am Ende der Geschichte Gerechtigkeit schaffen wird. Bis dahin dürfen wir klagen, rufen und hoffen – im Vertrauen darauf, dass Gott alles zum Guten wenden wird.
Lies Matthäus 27,46. Wie verstehst du diese Worte von Jesus? Was sagen sie darüber aus, wie das Böse Gott auf eindrucksvollste Weise berührt hat?
Die Worte Jesu am Kreuz gehören zu den tiefsten und erschütterndsten Momenten der gesamten Bibel. Sie offenbaren, wie das Böse nicht nur die Welt, sondern auch Gott selbst in Jesus Christus berührt hat. Der Sohn Gottes, der in vollkommener Einheit mit dem Vater lebte, erfährt in diesem Moment eine unfassbare Trennung. Doch was bedeutet diese „Verlassenheit“?
Das Böse in seiner vollen Macht gegen Jesus
Am Kreuz trägt Jesus die Sünde der Welt – und damit die ganze Last des Bösen. Jesaja 53,4-6 beschreibt prophetisch, dass er unsere Krankheiten trug und wegen unserer Übertretungen durchbohrt wurde. Das Böse, das sich in Rebellion gegen Gott ausdrückt, erreicht hier seinen Höhepunkt: Der Unschuldige wird zum Sündenträger und erfährt das, was eigentlich die Menschen verdient hätten – Gottesferne.
Diese „Gottesverlassenheit“ ist nicht nur ein Ausdruck von Schmerz, sondern zeigt, wie ernst das Böse ist. Es trennt den Menschen von Gott. Jesus selbst nimmt diese Trennung auf sich, damit wir nicht mehr von Gott getrennt sein müssen.
Psalm 22 – Vom Leid zum Triumph
Jesus ruft nicht nur einfach in Verzweiflung, sondern zitiert den Anfang von Psalm 22 – einem Psalm, der mit Klage beginnt, aber mit Hoffnung und Sieg endet. Wer den gesamten Psalm liest, erkennt, dass das Leiden nicht das letzte Wort hat. Der Psalm spricht von der Rettung Gottes und davon, dass alle Völker ihn am Ende preisen werden. Indem Jesus diese Worte spricht, verweist er darauf, dass das Kreuz nicht das Ende ist – sondern der Anfang von etwas Größerem: der Überwindung des Bösen.
Das Kreuz – Gottes Antwort auf das Böse
Das Erstaunliche an diesem Moment ist, dass Gott das Böse nicht nur von außen besiegt, sondern selbst in das Leiden hineingeht. Jesus leidet nicht nur körperlich, sondern trägt die tiefste Konsequenz des Bösen: die Trennung von Gott. Doch gerade dadurch wird der Weg zur Versöhnung geöffnet.
Durch den Tod und die Auferstehung Jesu wird das Böse letztlich besiegt. Satan verliert seine Macht über diejenigen, die an Christus glauben. Die Frage „Warum hast du mich verlassen?“ wird in der Auferstehung beantwortet: Gott hat seinen Sohn nicht endgültig verlassen, sondern ihn von den Toten auferweckt – als Zeichen, dass das Böse nicht das letzte Wort hat.
Hoffnung inmitten des Leidens
Diese Worte Jesu sind ein Trost für jeden, der sich verlassen fühlt. Sie zeigen, dass selbst Jesus diesen Schmerz kannte – aber dass dieser Schmerz nicht das Ende ist. Wer mit Jesus leidet, wird mit ihm auferstehen. Das Böse wird nicht für immer bleiben, denn das Kreuz ist der Wendepunkt der Geschichte: Was Christus dort vollbracht hat, wird das Böse eines Tages endgültig auslöschen.
Das Kreuz ist also nicht nur der tiefste Ausdruck des Bösen, sondern zugleich die größte Hoffnung für die Welt.
Am Kreuz blickte Jesus auf eine Hoffnung, die er zu diesem Zeitpunkt nicht sehen konnte. Wie können wir aus seiner Erfahrung Trost schöpfen, wenn auch wir keine Hoffnung sehen können?
Am Kreuz erlebte Jesus den tiefsten Moment der Verlassenheit, als er rief: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mt 27,46). Doch trotz dieser Dunkelheit hielt er an Gott fest. Er konnte die Hoffnung nicht sehen, aber er wusste, dass sie existierte. Das ist eine zentrale Botschaft für uns, wenn wir selbst durch Zeiten der Hoffnungslosigkeit gehen.
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Jesus kennt unsere tiefste Not
Egal, wie dunkel unsere Situation ist – Jesus weiß, was es bedeutet, sich verlassen zu fühlen. Er hat den tiefsten Schmerz erlitten: körperlich, seelisch und geistlich. Deshalb kann er uns in unserem Leid verstehen und mitfühlen (Hebräer 4,15).
Wenn wir uns von Gott entfernt fühlen, bedeutet das nicht, dass er nicht da ist. Auch wenn Jesus den Vater nicht sehen oder spüren konnte, wusste er, dass Gottes Plan größer war als der Moment des Leidens.
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Glaube ist auch Vertrauen, wenn wir nicht sehen
Jesus wusste, dass die Auferstehung kommen würde – aber in diesem Moment am Kreuz konnte er sie noch nicht sehen. Sein Schrei war echt, doch sein Vertrauen war tiefer als das, was er fühlte.
Auch wir stehen oft vor Situationen, in denen wir keine Lösung sehen. In solchen Momenten können wir uns auf die Treue Gottes verlassen – nicht weil wir sie fühlen, sondern weil er treu ist, selbst wenn unsere Gefühle uns etwas anderes sagen.
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Der Schmerz ist nicht das Ende der Geschichte
Jesus starb – aber das war nicht das Ende. Nach dem Leid kam die Auferstehung. Das zeigt uns, dass unsere dunkelsten Momente nicht das letzte Wort haben.
Vielleicht sehen wir die Hoffnung nicht jetzt, aber sie ist da. Gottes Plan ist größer als unser momentanes Leiden, auch wenn wir es nicht verstehen.
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Halte dich an Gottes Verheißungen – nicht nur an deine Gefühle
Jesus wusste, dass Gott ihn nicht für immer verlassen würde. Er kannte die Verheißungen der Schrift, besonders aus Psalm 22, den er am Kreuz zitierte. Der Psalm beginnt mit Verlassenheit, aber er endet mit Sieg und Lobpreis.
Genauso können wir uns an Gottes Verheißungen festhalten – selbst wenn wir nichts fühlen oder sehen. Sein Wort ist wahr, auch wenn unsere Situation das Gegenteil sagt.
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Hoffnung bedeutet, weiterzugehen, auch wenn wir nichts sehen
Jesus hätte am Kreuz aufgeben können – aber er tat es nicht. Er hielt durch, weil er wusste, dass Gottes Plan größer war als sein momentanes Leiden.
Das ist auch für uns eine Ermutigung: Halte durch. Der Schmerz wird nicht ewig dauern. Die Auferstehung wird kommen.
Fazit: Hoffnung ist mehr als ein Gefühl
Jesu Erfahrung am Kreuz zeigt uns: Hoffnung existiert, auch wenn wir sie nicht sehen. Wenn wir in Dunkelheit sind, können wir aus seiner Geschichte Trost schöpfen:
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Er kennt unseren Schmerz
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Er blieb treu, obwohl er die Hoffnung nicht sehen konnte
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Gottes Plan ist größer als unser momentanes Leid
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Seine Auferstehung zeigt: Das Dunkel ist nicht das Ende
Wenn wir keine Hoffnung sehen, können wir dennoch darauf vertrauen, dass Gott sie für uns bereithält. Denn derjenige, der uns am Kreuz gerettet hat, wird uns auch in unserer Dunkelheit nicht verlassen.
Das Problem des Bösen und das Ringen um Gottes Gegenwart ist nicht nur eine theologische Frage – es ist eine zutiefst persönliche und alltägliche Realität. Jeder Mensch erlebt Momente des Leids, der Ungerechtigkeit oder der Verzweiflung, in denen die Frage „Herr, wie lange noch?“ oder „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ aus unserem Herzen aufsteigt. Doch was bedeuten diese biblischen Wahrheiten für unser tägliches Leben?
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Wir dürfen ehrlich mit Gott sein
In den Texten aus Hiob, Jeremia, Maleachi und den Psalmen sehen wir, dass selbst die größten Glaubensvorbilder nicht davor zurückschreckten, ihre Zweifel und ihren Schmerz offen vor Gott zu bringen. Glaube bedeutet nicht, immer stark zu sein oder alles zu verstehen, sondern ehrlich zu Gott zu kommen – auch mit Klagen.
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Praktische Anwendung: In schweren Zeiten dürfen wir Gott unser Leid klagen. Wir müssen nicht so tun, als sei alles in Ordnung. Gebet ist nicht nur für Lob, sondern auch für ehrliche Fragen und Tränen.
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Vertrauen auf Gottes Gerechtigkeit, auch wenn sie noch nicht sichtbar ist
Es scheint oft, dass das Böse triumphiert und die Gerechten leiden. Diese Erfahrung kannten bereits die Propheten und Psalmisten. Doch die Bibel versichert uns: Gott wird Gerechtigkeit bringen – auch wenn es nicht sofort geschieht.
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Praktische Anwendung: Wenn wir Unrecht erleben – sei es in der Gesellschaft, am Arbeitsplatz oder in Beziehungen – sind wir dazu aufgerufen, Geduld und Vertrauen in Gottes Gerechtigkeit zu haben. Das bedeutet nicht, dass wir passiv bleiben, aber wir können darauf vertrauen, dass Gott am Ende alles zum Guten wenden wird.
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Hoffnung ist eine Entscheidung – nicht nur ein Gefühl
Jesus konnte am Kreuz die Hoffnung nicht sehen, aber er hielt an Gott fest. In unserem Alltag gibt es Momente, in denen wir Gottes Nähe nicht spüren, in denen unser Glaube auf die Probe gestellt wird. Doch wahre Hoffnung bedeutet, weiterzugehen, auch wenn wir die Lösung noch nicht sehen.
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Praktische Anwendung: Wenn wir uns verlassen oder hoffnungslos fühlen, können wir uns an Gottes Verheißungen festhalten. Das bedeutet, bewusst an seinem Wort festzuhalten, auch wenn unser Herz zweifelt.
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Das Böse ist real – aber es hat nicht das letzte Wort
Manchmal wollen wir das Böse herunterspielen, um uns besser zu fühlen. Doch die Bibel zeigt klar: Das Böse existiert und verursacht großes Leid. Gleichzeitig ist das Kreuz der Beweis, dass Gott das Böse nicht ignoriert, sondern es besiegt hat.
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Praktische Anwendung: Wenn wir in einer Welt voller Leid und Ungerechtigkeit leben, sollten wir nicht in Resignation oder Zynismus verfallen. Stattdessen sind wir dazu berufen, Zeichen der Hoffnung zu setzen – durch unser Handeln, unser Gebet und unser Vertrauen in Gottes endgültigen Sieg.
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Wir leben zwischen Karfreitag und Ostersonntag
Unser Leben als Christen spielt sich oft zwischen dem Schmerz des Karfreitags und der Hoffnung des Ostersonntags ab. Wir erleben beides: das Kreuz und die Auferstehung. Manchmal fühlt sich unser Leben nach Karfreitag an – dunkel, verlassen, ohne Antworten. Doch die Geschichte Jesu zeigt uns, dass die Auferstehung kommt.
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Praktische Anwendung: In schwierigen Zeiten sollten wir uns immer wieder daran erinnern: Unser Leid ist nicht das Ende. Gott hat uns eine Zukunft versprochen – auch wenn wir sie jetzt noch nicht sehen.
Fazit: Wie wir im Alltag aus dieser Hoffnung leben können
Diese biblischen Wahrheiten sind nicht nur Theorien – sie sind für unser tägliches Leben entscheidend.
✔ Wir dürfen ehrlich mit Gott sein – Klagen ist erlaubt.
✔ Wir dürfen auf Gottes Gerechtigkeit vertrauen – auch wenn sie sich verzögert.
✔ Wir entscheiden uns für Hoffnung – auch wenn wir sie nicht fühlen.
✔ Wir erkennen das Böse, aber wissen, dass Gott es besiegen wird.
✔ Wir leben im Vertrauen, dass die Auferstehung kommt.
Wenn wir also in unserem Alltag vor Herausforderungen stehen, können wir uns an Jesu Beispiel orientieren: Er hielt an Gott fest, auch als er ihn nicht sehen konnte. Und das dürfen wir auch tun – denn Gottes Plan ist größer als unser momentanes Leiden.
Gott ist da, auch wenn wir ihn nicht spüren – das Kreuz zeigt uns, dass Hoffnung selbst in der tiefsten Dunkelheit lebt.
Illustration:
Es war ein regnerischer Herbstabend, als Jonas durch die verlassene Straße der Stadt ging. Die Laternen warfen ein flackerndes Licht auf das nasse Pflaster, während er die Hände tief in den Taschen seiner abgetragenen Jacke vergrub. Die Welt hatte sich verändert – oder vielleicht hatte er sich verändert. Seit dem Unfall seiner Schwester vor drei Monaten fühlte es sich an, als würde alles in einem grauen Nebel verschwinden.
Früher hatte Jonas an das Gute geglaubt. An Gerechtigkeit. An Gott. Doch jetzt, in dieser Dunkelheit, in der er Tag für Tag mit dem Schmerz kämpfte, hatte er nur noch eine Frage: “Herr, wie lange noch?”
Er erinnerte sich an die Worte aus dem Buch Hiob, die sein Großvater ihm einst vorgelesen hatte. Hiob 30,26: “Ich hoffte auf Gutes, und es kam Böses; ich wartete auf Licht, und es kam Finsternis.” Damals hatte er die Bedeutung dieser Worte nicht verstanden. Jetzt spürte er sie mit jeder Faser seines Seins.
Seine Schwester, Lara, war erst siebzehn gewesen. Ein leuchtender Stern in seinem Leben, voller Träume, voller Hoffnung. Doch ein einziger Moment der Unachtsamkeit hatte sie aus dem Leben gerissen. Ein Autofahrer, betrunken, unaufmerksam – und plötzlich war da nur noch Stille. Jonas hatte an ihrem Krankenhausbett gesessen, ihre Hand gehalten, als das piepsende Geräusch des Monitors verstummte. Und mit ihr schien auch sein Glaube gestorben zu sein.
„Warum, Gott?“ Seine Stimme brach, als er durch die Nacht stapfte. „Warum lässt du das Böse siegen? Warum hören wir dich nicht?“
Niemand antwortete. Nur der Regen. Nur das entfernte Dröhnen der Stadt, die weitermachte, als wäre nichts geschehen.
In der Bibel stand, dass auch die Propheten diese Fragen gestellt hatten. Jeremia hatte gerufen: “Warum gelingt es den Gottlosen, warum haben die Treulosen Frieden?” (Jeremia 12,1). Maleachi hatte gefragt: “Ihr ermüdet den Herrn mit euren Worten. Ihr sagt: ‚Womit ermüden wir ihn?‘ Damit, dass ihr sagt: ‚Wer Böses tut, ist gut in den Augen des Herrn, und an ihnen hat er Gefallen.‘“ (Maleachi 2,17). Jahrhunderte waren vergangen, aber die Fragen blieben dieselben.
Jonas blieb an einer Brücke stehen. Unter ihm rauschte der Fluss, seine dunkle Oberfläche schluckte das Licht der Stadt. Er lehnte sich an das Geländer, den Blick auf das unruhige Wasser gerichtet. Es wäre so einfach, loszulassen. Einfach zu verschwinden.
Doch dann erinnerte er sich an die Worte, die Lara oft gesagt hatte: „Gott ist nicht fern, Jonas. Selbst wenn du ihn nicht fühlst. Gerade dann ist er da.“
Er schloss die Augen. In seinem Innersten regte sich eine Erinnerung – an eine andere Geschichte, die ihm sein Großvater erzählt hatte. Die Worte Jesu am Kreuz: “Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?” (Matthäus 27,46). Selbst Jesus, der Sohn Gottes, hatte sich verlassen gefühlt. Aber das war nicht das Ende. Die Auferstehung hatte gezeigt, dass das Böse nicht das letzte Wort hatte.
Tränen liefen über Jonas’ Wangen, vermischten sich mit dem Regen. Vielleicht war das Leid nicht zu verstehen. Vielleicht würde es niemals eine Antwort geben, die seinen Schmerz lindern konnte. Aber die Geschichte Jesu zeigte, dass das Leiden nicht bedeutete, dass Gott abwesend war. Manchmal bedeutete es, dass er näher war als je zuvor.
Mit zitternden Fingern zog er sein Handy aus der Tasche. Er wählte eine Nummer, die er auswendig kannte. Die Stimme seiner Mutter war warm, aber besorgt, als sie abhob.
„Mama“, flüsterte er. „Ich will nach Hause.“
Manchmal war Glaube nicht das Wissen um eine Antwort. Manchmal war es einfach das Weitergehen. Ein Schritt nach dem anderen. Selbst durch das Dunkel.
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